9. SONNTAG IM JAHRESKREIS
Evangelium nach Lukas (7,1-10)
Im Evangelium begegnen uns heute Menschen, die sich über Religions- und andere Grenzen hinweg gegenseitig wertschätzen und respektieren. Da ist dieser Offizier. Er dürfte ein guter Mensch sein. Er setzt sich voll für seinen kranken Diener ein. Welchen Stellenwert hatte damals schon ein Diener? Er war wie ein Sklave. Dieser römische Offizier ist dem jüdischen Glauben wohlgesinnt. Er hat für die jüdische Gemeinschaft in Kafarnaum sogar, auf seinen Kosten, eine Synagoge, ein Gebetshaus, errichten lassen. Er, der Fremde und Ausländer! Darüber hinaus gehört er zu der Besatzungsmacht, die natürlich nicht geliebt wurde . Sein Verhältnis zu den Juden ist gut. Das erklärt, warum er eine jüdische Delegation zu Jesus schicken kann, um seinen Diener zu retten. Sie soll für ihn bei Jesus ein gutes Wort einlegen.
Dieser heidnische Offizier ist also bereit für seinen kranken Diener religiöse und gesellschaftliche Grenzen zu überschreiten. Gleichzeitig ist ihm aber auch bewusst, welche Grenzüberschreitungen er dem Juden Jesus zumutet. Juden durften mit Heiden nur den unvermeidlich notwendigen Kontakt haben, aber sie durften nicht das Haus eines Heiden betreten. Sie hätten sich dadurch unrein gemacht. Deswegen lässt er Jesus, diesmal durch seine Freunde, wissen: „Bemüh dich nicht, ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst.“ Er will Jesus nicht in Schwierigkeiten bringen und respektiert die jüdischen Bräuche und Gewohnheiten.
Aber wenn Jesus nicht einmal in sein Haus, zu dem kranken Diener kommen kann, wie soll er ihm dann helfen? „Sprich nur ein Wort.“ Wie groß muss sein Vertrauen zu Jesus sein! Dieser ausländische Offizier vertraut auf die Wirkkraft schon eines Wortes Jesu. Sprich nur ein Wort! Als Offizier kennt er die Kraft eines Wortes, eines Befehls: In seinen Kreisen wird von den Soldaten sofort und ohne Zögern ausgeführt, was er sagt. So mutet dieser Mann Jesus Macht über Kräfte zu, die seinen Diener krank machen (Das war in dieser Zeit die allgemeine Vorstellung: Man glaubte, Krankheiten werden von bösen Kräften verursacht).
Dieser Mann wird nun von Jesus vor seinen Lands- und Glaubensleuten als Beispiel des Glaubens dargestellt. „Nicht einmal bei den Frommen meines eigenen Volkes habe ich so ein Vertrauen angetroffen.“ Was für eine Provokation! Hier wird klar, was Jesus mit Glauben meint. Es geht hier nicht um ein „Für-wahr-halten“ von Glaubenswahrheiten. Der persönliche Glaube ist mehr als eine Meinung, die man haben oder nicht haben kann. Woran erkennen und woran messen wir den Glauben eines Menschen? An seiner Gottesdienst- oder Gebetspraxis? An der Spendenbereitschaft? Am ehrenamtlichen Engagement? Am Glaubensbekenntnis? An der Einhaltung von Gebräuchen und Vorschiften? Das gehört alles dazu, es sind kleine Signale des Glaubens, aber das alles Entscheidende ist das Vertrauen zu Gott und zu Jesus. Die Hilfe von Jesus erhalten alle, die an ihn glauben und ihm vertrauen, unabhängig davon, ob sie Heiden sind, zu den Kleinen oder Sündern zählen, zu einem anderen Volk oder zu einer anderen Kultur gehören.
Vor kurzem durfte ich eine ähnliche Erfahrung machen. In einem Gespräch mit einem unserer Asylwerber, fragt mich der junge Mann: „Wie heißt auf Deutsch „to pray“? Ich antwortete ihm: Beten. Dann schaute er mich an und fragte: „Willst du für uns Asylwerber beten?“ Ein muslimisch glaubender Mensch bittet einen katholischen Priester, für ihn zu beten. Eine religionsüberschreitende Toleranz und auch ein Gottvertrauen.
"Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund." Unzählige Male haben wir diesen Satz schon zur Vorbereitung vor dem Emp-fang der Kommunion gesprochen. Ist uns bewusst, dass wir damit jedes Mal die Worte des heidnischen Offiziers von Kafarnaum nachsprechen? Haben wir sein Vertrauen zu Gott und zu Jesus?